Wieviel Agilität benötigen Unternehmen für die digitale Transformation?

11.07.2017.

Prof. Dr. Stephanie Teufel und Dr. Marcus Disselkamp

Überall wird von Agilität als notwendige Kernkompetenz von Unternehmen gesprochen. Agilität ist quasi ein Modewort, ein richtiger Hype. Aber wieviel Agilität benötigen Unternehmen vor dem Hintergrund der digitalen Transformation wirklich?

Mit digitaler Transformation wird im Allgemeinen der Prozess des Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft bezeichnet, welcher auf der Omnipräsenz von Sensoren, Netzwerken sowie Informations- und Kommunikationstechnologie basiert. Immer kürzere Entwicklungs- und Innovationszyklen sind ein Charakteristikum dieses Prozesses, der gegenwärtig alle Branchen und alle Lebensbereiche durcheinanderwirbelt, seien es industrielle Produktion, Handel, Verkehr, Gesundheits- oder Bildungswesen. Die Allgegenwärtigkeit digitaler Technik führt zu tiefgreifenden politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen.

Unsicherheit und Komplexität

Dabei sind wir alle bereits Teil dieses Wandlungsprozesses: Schon seit Jahren unterliegen wir der digitalen Transformation: von eMail bis zur automatisierten Datenkommunikation, von Data Warehousing bis zu Big Data oder von RF-ID bis zum Internet der Dinge und Dienste, die letzten 20 Jahre haben unsere berufliche und private Welt bereits extrem verändert. Ein noch dramatischerer Wandel könnte nun dank Blockchain, 3D Druck und künstlicher Intelligenz folgen. Diese Megatrends bieten nicht nur viele positive sondern auch kritische Möglichkeiten für Unternehmen und Organisationen, sie erhöhen vor allem die Komplexität und Unsicherheit für alle Beteiligten. Das sogenannte VUCA Modell zeigt die Zusammenhänge von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität auf.

In unsicheren, komplexen Situation scheitern oft klassische Organisationsformen: Unkooperative Kompetenzbereiche, langatmige Entscheidungswege, Kommunikationssilos und Egointeressen behindern Innovationen und die digitale Transformation. Agile Strukturen sollen hier helfen!

Agilität im betriebswirtschaftlichen Sinne wird seit Ende des 20. Jahrhunderts in der wissenschaftlichen Community verstärkt disputiert. Dementsprechend existiert eine Vielzahl an Definitionen. Der Fokus liegt dabei auf der schnellen Reaktion in einer und der Anpassung an eine hochgradig dynamische, nicht vorhersagbare Umwelt. Das heisst Flexibilität in der kundenorientierten Erfüllung sich stetig verändernder Anforderungen. Brown und Agnew haben bereits 1982 in diesem Zusammenhang auf die Gewichtung der Ressource Mensch hingewiesen. Die Managementlehre hat, dank der Softwareentwicklung und der Organisationstheorie, diverse Theorien entwickelt, die sich zuerst einmal sehr gut anhören, doch stellen sie gleichwohl einige Risiken und Gefahren dar.

Dezentrale Verantwortung und Rollen

Ein zentraler Punkt des agilen Managements ist es, Verantwortlichkeiten sukzessive vom Vorgesetzten weg hin zu den Mitgliedern eines Teams zu verlagern, so dass Entscheidungen nicht mehr über mehrere Hierarchieebenen hinweg getroffen werden müssen und Ergebnisse rascher sichtbar sind.

In seinem Buch „Holacracy“ formuliert Brain J. Robertson im Jahr 2015 eine entsprechende, agile Organisationsform, bei der nicht mehr Linienfunktionen und Personen eine Organisation bestimmen, sondern Rollen, die sich an konkreten Aufgaben orientierten. Die Rollen haben festgelegte Verantwortlichkeiten und ggfs. Befugnisse über materielle Ressourcen. Zusammengehörende Rollen bilden in dieser Holacracy dann einen sog. Kreis („Team“), welcher seine Strukturen und Verantwortlichkeiten weitestgehend selbst organisiert. Ein Teammitglied kann dabei mehrere Rollen gleichzeitig ausfüllen und vor allem auch wieder abgeben, anstatt in starren Jobbeschreibungen gefangen zu sein.

Vier Leitlinien bestimmen die Holacracy (aus dem altgriechischen ὁλός, holos‚ vollständig, ganz und κρατία, kratía‚ dt. -kratie, Herrschaft): (1) die Trennung von Steuerungs- und operativen Treffen (also eine Trennung von Entscheidungen und Tagesgeschäft), (2) eine sog. doppelte Verbindung (d.h. sowohl eine direkte Teilnahme eines Teamvertreters in dem nächsthöheren sowie in den unteren Kreisen, mit denen man in enger Verbindung steht), (3) die gemeinsame und präzise Klärung der Zuständigkeiten und Rollen sowie (4) eine dynamische Steuerung, bei der nicht optimale Entscheidungen gesucht werden, sondern brauchbare und korrigierbare Wege.

Reifegrad, Politisierung, Identifikation und Haftung

So schön der Gedanke an Agilität und agile Teamstrukturen ist, so bergen diese auch mehrere Nachteile und Gefahren: Nicht jeder Arbeitnehmer fühlt sich wohl in einem Umfeld frei von Hierarchien und Vorgaben. Schon das Reifegradmodell von Paul Hersey und Ken Blanchard aus dem Jahr 1977 schildert, dass nicht alle Mitarbeitenden – egal ob jung oder alt – den Reifegrad zur Partizipation bzw. gar Übernahme von Verantwortung haben. Vielmehr warten viele auf klare Anweisungen bzw. Erklärungen für Entscheidungen. Gerade Mitarbeitende eines niedrigeren Reifegrades benötigen weiterhin langfristige Strukturen und klare Hierarchien mit disziplinarischen Vorgesetzten.

Agilen Teams droht zudem die Gefahr von anhaltenden Diskussionen zur Konsens- und Entscheidungsfindung und das Entstehen von Fraktionen (Politisierungsprobleme). Im schlimmsten Fall kommt es zu Kämpfen zwischen den Fraktionen, zur Akzeptanz des niedrigsten gemeinsamen Nenners oder gar zur Blockade des Projektes. Fehlende, zentrale Führung und Hierarchien können des Weiteren die Komplexität in einem Projekt und Team erhöhen oder bei Mitarbeitenden mit niedrigerem Reifegrad zu Identitätsproblemen führen, obwohl gerade die Reduktion von Komplexität sowie eine gesteigerte Einbindung und Identifikation der Betroffenen das Ziel agiler Strukturen ist. Schlussendlich kann die durch die agile Methodik stattgefundene Dezentralisierung und Enthierarchisierung zu Haftungsproblemen im Sinne der Organhaftung von Geschäftsführern und Vorständen führen, wenn sich niemand mehr für ein Projekt verantwortlich fühlt.

Die möglichen Nachteile der Agilität sprechen aber grundsätzlich nicht gegen ihre Verwendung. Vielmehr gilt es in modernen Unternehmen, je nach den Anforderungen einzelner Aufgaben sowie den sozialen und fachlichen Kompetenzen der involvierten Personen, die klassischen Regeln des Managements mehr oder weniger um die modernen Erkenntnisse der agilen Managementmethoden zu ergänzen und so eine Kultur von Offenheit und Partizipation, von Transparenz und Verantwortung, von Vertrauen und Vernetzung zu schaffen. Dann können auch etablierte Organisationen dank der Ideen und Umsetzungskraft ihrer Mitglieder Innovationen entwickeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.

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