Omnichannel Strategie: Integrations-Konzept ist Schlüssel zum Erfolg

24.07.2017.

Von: Harald Henn – Marketing Resultant GmbH

Das Thema Digitalisierung überlagert zur Zeit nahezu alle anderen Themen in unserer Gesellschaft. In den Unternehmen dominiert die Diskussion um die Digitalisierung und verdrängt alles andere in den Hintergrund. Call Center und der Kundenservice können sich dieser Diskussion nicht entziehen. Was ist die richtige Strategie für die digitale Zukunft des Kundenservice? Allzu oft wird aus der Frage: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf den Kundenservice? ein allgemeiner Digitalisierungs-Aktionismus. Hauptsache es wird digitalisiert.

1 Digitalisierung ist keine Strategie. Es gibt nur eine Strategie, in einem sich ändernden, zunehmend digitalen Umfeld.

Dass die Digitalisierung am Kundenservice und den Call Centern nicht spurlos vorüber gehen wird, ist jedem klar. Ob das eigene Unternehmen diese Veränderung für sich und seine Kunden nutzbringend gestalten kann, ist eine Frage der richtigen Strategie. Und hier gilt es einige Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, bevor man sich mit die digitale Zukunft des Kundenservice für das eigene Unternehmen konzipiert:

  • Die Geschwindigkeit mit der sich Märkte ändern, nimmt zu. Diese Geschwindigkeit ist sehr viel höher als die Adaptionsgeschwindigkeit der Organisation.
  • Das Kommunikationsverhalten der Kunden ändert sich. Traditionelle Medien/Kanäle wie Telefon, Fax oder E-Mail stagnieren. Neue, digitale Möglichkeiten wie Chat, Instant Messaging (z.B. WhatsApp) erfreuen sich dreistelliger Zuwachsraten.
  • Die Komplexität in der IT/TK Infrastruktur nimmt weiter zu. Neben Telefon, Fax oder E-Mail kommen weitere Kommunikations-Möglichkeiten hinzu, die in die bestehende Landschaft integriert werden müssen.
  • Die Erwartungen der Kunden an ein einfaches, konsistentes Einkaufs- und Serviceerlebnis steigen. Nicht zuletzt auf Grund von „Leuchtturm“- Projekten

Die Messlatte an eine gute Omnichannel Strategie wird jeden Tag ein Stück höher gelegt. Kunden honorieren einfachen, schlanken und zuverlässigen Service, der orts- und zeitunabhängig funktioniert. Und ein exzellenter Kundenservice entwickelt sich immer mehr zum „besten Verkäufer“ des Unternehmens. Gute Kundenbewertungen auf amazon, holidayckeck sind ein wichtiges Kaufkriterium. Gute Erreichbarkeit und hohe Fachkompetenz im Call Center sprechen sich auf Social Media Plattformen herum. Eine entscheidende Rolle im Kommunikations-Mix spielen dabei smartphones. Sie entwickeln sich zum Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation mit den Unternehmen. Telefonieren, SMS, E-Mail schreiben, per Instant Messaging oder chat kommunizieren oder die App eines Unternehmens nutzen: die Möglichkeit nach Belieben den geeigneten Zugangsweg zum Unternehmen zu nutzen, wird für Kunden zur Selbstverständlichkeit. Für den Kundenservice des Unternehmens gleichzeitig eine großen Herausforderung. Es ist nicht nur die Zunahme der Kanäle, die den Verantwortlichen im Kundenservice Kopfschmerzen bereitet. Die Geschwindigkeit mit der neue Medien, Technologien Einzug in den Kommunikations-Alltag halten überfordert die Unternehmen. Vergleichbar mit einem Tsunami sind in den letzten beiden Jahren viele neue Technologien über Call Center, Customer Care, Kundenservice-Organisationen hereingebrochen, die implementiert, in die vorhandene IT-Architektur integriert und gegenüber dem Kunden synchronisiert werden müssen.

Was zuerst umsetzen? Was ist aus Markt- und Kundensicht notwendig; was aus der internen Sicht in Bezug auf Ressourcen, Budget verkraftbar? Die schiere Komplexität der möglichen Konzepte, Lösungen, Anbieter ist erdrückend.

2. D as strategische Grundprinzip im Kundenservice: Außen fächern – innen bündeln

Gegenüber dem Kunden, dem Markt kommt man an einem breit aufgestellten Angebot an Zugangswegen nicht vorbei; unterschiedliche Präferenzen je nach Alter, Ort, Stimmung, Anlaß bedingen eine Kommunikations-Palette, die für den Kunden alle Optionen bietet. Die breite Fächerung des Kommunikations-Angebotes muss einhergehen mit einer Integration und Synchronisierung der unterschiedlichen Systeme. Besonders für Mitarbeiter im Call Center, der Stelle wo fast alle Fäden und Interaktionen mit dem Kunden zusammenlaufen, kommt es darauf an, dass die Mitarbeiter eine lückenlose Sicht auf die Interaktionen mit den Kunden haben. Und dabei ohne Zeitverzögerung das Kundenanliegen bearbeiten können. Allzu oft müssen Mitarbeiter im Kundenservice zwischen verschiedenen Anwendungen hin und her jonglieren, per Kopieren und Einfügen Daten bewegen und für die Beantwortung der Kundenfrage Systeme wechseln. Neben der Fehleranfälligkeit ist diese Arbeitsweise höchst unproduktiv. Exzellente Omnichannel Konzepte sind ohne durchdachte Integrations-Konzepte nicht zu betreiben.

Vor diesem Hintergrund muss für die Strategie des Kundenservice ein Zielbild entwickelt werden, welches die folgenden Fragen adressiert:

  • Wie will sich das Unternehmen bei den Kundenservice-Prozessen darstellen und vom Mitbewerb abgrenzen? Was schätzen die Kunden am Unternehmen?
  • Welche digitalen Kontaktpunkte (touchpoints) sind aus Kundensicht wichtig und wie steht das Unternehmen aus Sicht der Kunden in Bezug auf Einfachheit, Konsistenz und Zeitersparnis da?
  • Wie sieht die eigene Kostenstruktur im Kundenservice aus und welche Einsparpotentiale sollen/müssen realisiert werden, um im Markt bestehen zu können?
  • Wie agil sind die eigenen Organisations-Strukturen und Prozesse? Ist der Kundenservice wendig und flexibel um auf Kundenwünsche entsprechend reagieren zu können?
  • Wie agil ist die IT/TK Infrastruktur um sowohl Kunden- als auch den eigenen Organisations-Anforderungen gerecht zu werden?
  • Wie gut ist die Fähigkeit der eigenen Organisation einzuschätzen, um aus den Daten der Kundeninteraktionen Kenntnisse zu gewinnen, die die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken?

3 Roadmap als strategischer Erfolgsfaktor

Ziel- und Interessenkonflikte sind bei der Abwägung von Marktanforderungen und internen Ressourcen, bezw. technischer Realisierbarkeit vorprogrammiert. Nicht alles, was aus Marktsicht dringend erforderlich wäre, lässt sich in einer gewachsenen Infrastruktur bei begrenzten Budgets und IT-Ressourcen entsprechend umsetzen. Eine Roadmap, die alle digitalen Umsetzungs-Initiativen und Wünsche priorisiert und bewertet ist unabdingbar. Schnellschüsse mit einzelnen, kleineren digitalen Umsetzungsprojekten um gegenüber dem Markt etwas Vorzeigbares ankündigen zu können, rächen sich bei mittel- und langfristiger Betrachtung.

So ist ein WhatsApp Angebot zur Kommunikation schnell angekündigt; spätestens jedoch, wenn es um die Integration der WhatsApp Dialoge in ein CRM System geht um eine lückenlose Kontakthistorie sicherzustellen, zeigen sich die wahren Kosten und Ressourcenprobleme.

Vordenken erspart nachdenken. Die Versuchung Omnichannel Konzepte auf die Implementierung einer neuen Technologie zu beschränken, ist groß. Allzu oft wurden in den Call Centern in der Vergangenheit neue Technologien an bestehende Strukturen angebaut anstatt Strategie, Prozesse und die Auswirkungen auf die Organisation mit zu berücksichtigen. Mit jeder „angebauten“ und nicht integrierten Lösung steigt die Komplexität und nicht selten stellen heutige Call Center fest, dass ihre technologischen Plattformen, die sie vor einigen Jahren implementiert haben, nicht erweiterbar oder skalierbar sind. Hier erweist sich die Erstellung einer Omnichannel Roadmap als hilfreich. Sie berücksichtigt alle wesentlichen Einflussfaktoren für die Ausgestaltung einer Omnichannel Management Strategie.

Externe Einflussfaktoren wie globale Trends fließen ebenso in die Roadmap ein wie die eigene Strategie, vorhandene Ressourcen, Auswirkungen auf die eigene Organisation; Erfolgsbeitrag, etc. Wichtig ist es, ein klares, konkretes Konzept für den eigenen Omnichannel-Kundenservice auf Basis der Kundenerwartungen und der eigenen Strategie zu entwickeln. Ein Hersteller eines erklärungsbedürftigen Produktes im B2B Markt wird dann bei der Konkretisierung der Omnichannel Strategie bei der Bewertung der technischen Möglichkeiten zum Ergebnis kommen, dass eine Co-Browsing/Videochat Lösung z.B. einen nachweisbaren Nutzen für die Kunden bietet und eventuell bereits von Mitbewerbern erfolgreich eingeführt wurde. In anderen Branchen mag der Nutzen für die Kunden zunächst auf anderen Service-Angeboten liegen. Die Möglichkeit sich im Markt erfolgreich abzuheben von der Konkurrenz ist eine Möglichkeit die Prioritäten festzulegen. Der eigene Handlungsrahmen – Ist Situation der IT/TK Landschaft, Ressourcen, Umgestaltung der Organisation und Prozesse – ist die zweite Einflußgröße. Je nach Ausgangslage kann dies zu völlig unterschiedlichen Konzepten führen. Ein Unternehmen mit einer völlig veralteten Telefonanlage, isoliert arbeitenden Fax-Servern, rudimentären E-Mail Management Systemen, dass gleichzeitig einem enormen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist, mag um einen Big Bang Ansatz nicht herumkommen. In anderen Unternehmen kann eine schrittweise Erweiterung der bestehenden Struktur um Videochat und Instant Messaging der richtige Weg sein. Die beiden Parameter: Wirksamkeit im Markt und eigene Realisierungs-Möglichkeiten führen im Ergebnis zu einer Roadmap mit bewerteten Maßnahmen.

Die digitale Zukunft des Kundenservice ist für jedes Unternehmen individuell zu gestalten. Die eigene Historie, Ressourcenverfügbarkeit und angestrebte Positionierung im Markt ergeben die Grundlage für den Fahrplan. Dieser ist angesichts der eingangs beschriebenen Dynamik kein statisches, in Beton gegossenes Gebilde.

Quelle: Digital Customer Service 2017

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