«Always On»: verwischte Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit
Experimentelle Studien mit der ersten Generation mobiler Geräte zeigten, dass sobald die Geräte genutzt wurden, sich private und berufliche Kontexte zu verschieben und verwischen begannen: Es besteht jedoch nicht nur ein erhöhter Druck, digital beruflich auch in der Freizeit erreichbar zu sein, sondern auch privat während der Arbeitszeit.
Die arbeitspsychologische Forschung geht davon aus, dass es ein Spektrum in Bezug auf das «Boundary Management» (Grenzziehung) zwischen Arbeit und Privatleben gibt: Am einen Ende des Spektrums befinden sich die Integrierer, die gerne Arbeit und Freizeit miteinander verbinden und durchlässige Grenzen dazwischen schätzen. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich die Separierer, die der strikten Trennung von Arbeits- und Freizeit einen hohen Stellenwert beimessen. In der IAP-Studie 2017 „Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0“ konnten zwei Drittel der rund 600 Befragten tendenziell den Separierern zugeordnet werden und ein Drittel eher den Integrierern. Entsprechend erleben Erwerbstätige auch verwischte Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit unterschiedlich. Fast die Hälfte der Befragten ist auch ausserhalb der Arbeitszeit für den Arbeitgeber erreichbar. Aber: ein noch grösserer Anteil, nämlich rund drei Viertel, sind während der Arbeitszeit privat online. Diese Zahlen machen deutlich, dass die Verwischung der Grenzen zwischen privat und beruflich in beide Richtungen geht. Es gibt empirische Hinweise darauf, dass viele in der Freizeit beruflich digital erreichbar sind, obwohl sie nicht explizit darum gebeten wurden. Ob dies in erster Linie dadurch zu erklären ist, dass sie für Arbeitskolleginnen und -kollegen erreichbar sein möchten, die sich bei Abwesenheiten um ihre Aufgaben kümmern müssen oder ob es teilweise eine Art Kompensationseffekt dafür ist, dass viele während der Arbeitszeit auch privat online sind, lässt sich aus den Daten nicht ablesen. Welche Effekte hat die Möglichkeit zur permanenten digitalen Erreichbarkeit auf die Produktivität, die Kreativität sowie Gesundheit und Schlaf der Befragten? Die Zahlen der IAP-Studie im Gesundheitsbereich sind alarmierend, während sie bei Produktivität und Kreativität eher auf ein Dilemma verweisen. So fühlen sich rund 4 von 10 eher produktiver durch das mobile Internet, während 3 von 10 angeben, dass sich ihre Produktivität verschlechtere. Ein knappes Drittel der Befragten gibt an, durch den permanenten Internetzugang kreativer zu sein, während ein Viertel sich ganz im Gegenteil weniger kreativ fühlt. Sehr viel eindeutiger sind die Zahlen im Bereich Gesundheit und Schlaf: Während rund die Hälfte angibt, permanente digitale Erreichbarkeit habe keinen Einfluss darauf, stellt die andere Hälfte der Befragten fest: Gesundheit und Schlaf verschlechtern sich durch ständigen Onlinezugang.
Autor: Dr. Sarah Genner
Quelle: IAP Studie 2017 Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0 | ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften | IAP Institut für Angewandte Psychologie