Wie selbstverständlich

16.07.2018.

Thomas Flatt, Präsident swissICT
2008 steckte Facebook in den Kinderschuhen. Künstliche Intelligenz war höchstens in Fachkreisen ein Thema. Ein Rückblick auf den Wandel der Schweizer ICT-Branche und der Verbandslandschaft seit der Gründung von swiss made software.

Es ist fast das Gleiche wie bei den Smartphones oder wie bei Facebook. Man denkt, es gäbe sie schon ewig, und wir können uns ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Dabei sind sie erst vor gut zehn Jahren auf den Markt gekommen. Jetzt feiert swiss made software das 10-jährige Jubiläum, und in der Schweizer ICT-Branche ist das Label gut verankert. Herzlichen Glückwunsch! Diesen runden Geburtstag nehme ich zum Anlass, um auf die letzten rund zehn Jahre in der Schweizer ICTBranche, der Verbandslandschaft und von swissICT zurückzublicken. Ich habe viele der Entwicklungen wie Cloud Computing, Social Media oder das mobile Internet immer als Chance für die Schweizer Softwarebranche und die vielen mittelständischen Anbieter gesehen. Dies insbesondere auch deshalb, weil sie mit dem Schweizer Qualitätsanspruch und ihrer Kundennähe massgeschneiderte Lösungen umsetzen können. swissICT hat dabei als neutrale und offene Plattform immer alles darangesetzt, dass sich Anbieter, Anwender und Informatik- Fachkräfte austauschen und vernetzen können. Damit ist der Verband sozusagen die grosse Partei der Mitte, welche sich über Sachthemen und pragmatische, möglichst langfristige Lösungen profiliert.

USA und Asien sind voraus

Die Relevanz und Wertschöpfung des Schweizer Softwaremarktes ist mit der wachsenden Bedeutung der Informatik im Zeitalter der Digitalisierung gewachsen. Dank der wachsenden Nachfrage nach ICT-Lösungen spriessen viele neue Dienst-leister aus dem Boden. Auch die vielen erfolgreichen Mittelständler sind ein Resultat dieser Entwicklung. Leider jedoch – und das gilt auch für das gesamteuropäische Umfeld – spielt die Musik in der Software-Industrie in den USA. Sogar Asien und insbesondere China haben Europa bereits überflügelt. Gerne würde ich hier über ein «Schweizer Google» sprechen, einen Schweizer IT-Player, der international den Durchbruch geschafft hat. Soweit ist es leider noch nicht gekommen, obwohl in der Schweiz auch im Bereich der Technologie-Start-ups einiges gegangen ist. Sowohl im Grossraum Zürich, am Genfersee-Becken und neuerdings, dank dem Blockchain-Boom auch in Zug, sind in den vergangenen zehn Jahren Ökosysteme entstanden, die für eine prosperierende Schweizer ICT-Landschaft Gold wert sind. Und dann ist da eben Google selbst, das in Zürich einen strategisch wichtigen Standort aufgebaut hat – ein sehr grosser Zugewinn für die Schweizer ICT.

Berufsbildung als Lichtblick

Der grosse Wurf – und da müssen wir ehrlich mit uns sein – ist der Schweizer ICT-Branche trotz diverser Lichtblicke auch in der ICT-Verbandslandschaft nicht gelungen. Ich erinnere mich noch gut an die Fusionsbestrebungen zwischen ICTswitzerland, swissICT und SI, welche vor ziemlich genau 10 Jahren über die Bühne gingen. Bestrebungen, die zum Ziel hatten, dass die Branche gemeinsam mehr Power auf die politische Bühne bringt und insbesondere auch in der ICT-Berufsbildung stärker auf den Plan tritt. Gerade im Bereich der Berufsbildung gibt es jedoch trotz gescheiterter Fusion auch Lichtblicke. Da sind etwa die ICTLernenden, welche an internationalen Meisterschaften regelmässig Titel gewinnen. Das zeichnet unser Bildungssystem aus und ist Beleg für die Stärke des ICT-Werkplatzes Schweiz. Ein Lichtblick ist auch ein swissICT Spin-off – nämlich ICT-Berufsbildung Schweiz, ein Verband, der aus der I-CH hervorgegangen ist und ganz signifikant für eine bessere Wahrnehmung des Informatiker-Berufes gesorgt hat. Unterdessen hat man in der Bildungspolitik erkannt, dass Informatik eine entsprechende Stellung bekommen muss. Bis Massnahmen auf politischer Ebene und dann in der Praxis umgesetzt sind und auch Lehrpersonal mit ICTKnow- how bereitsteht, dürften aber noch ein paar Jahre vergehen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich auch die politische Relevanz der ICT stark verändert. Mit dem Datenschutzgesetz oder der elektronischen Identität werden zurzeit wichtige ICT-Themen auf dem nationalen Politparkett behandelt; über Netzsperren wird sogar abgestimmt. Ich habe schon mehrmals in meinen Seitenblick-Kolumnen gemahnt, dass man vorsichtig sein sollte mit neuen Regulierungen. Die Gefahr ist nach wie vor sehr gross, dass Innovationen gleich von Anfang an mit untauglichen Gesetzen und bürokratischen Hürden abgewürgt werden, was nicht im Interesse des ICT-Werkplatzes Schweiz ist.

Plattform für Innovation

Eine Bühne für Innovationen bietet seit 2004 auch swissICT mit der jährlichen Verleihung des Swiss ICT Awards. Die Swiss ICT Awards zeichnen herausragende Leistungen der Schweizer ICT (Informations- und Kommunikationstechnologie) aus, die massgeblich in der Schweiz erbracht worden sind. Laut ICT-Medien gilt der Swiss ICT Award als «wichtigste Auszeichnung der Schweizer ICT-Branche» (Handelszeitung) und die Gala als «der wichtigste ICT-Anlass der Schweiz» (insideit.ch). Der Anlass wird von swissICT organisiert, die Sieger werden von einer unabhängigen Jury gekürt. Eine prominente Rolle in diesem Artikel verdient der Swiss ICT Award deshalb, weil in diesem Jahr eine Aufwertung stattfinden wird. swissICT, simsa und Netzmedien haben vergangenen Herbst eine strategische Kooperation vereinbart, in deren Zentrum die gemeinsame Auszeichnung von hervorragenden Leistungen im Bereich digitale Wirtschaft und Informatik steht. Dabei werden der «Digital Transformation Award» und der «Swiss ICT Award» zusammengeführt und treten neu unter der Dachmarke «Swiss Digital Economy Award» auf. Ebenfalls neu findet die Verleihung in Zürich und nicht mehr im KKL in Luzern statt.

Was bringt die Zukunft?

Überhaupt ist in den letzten Monaten einiges gegangen. swissICT ist mitten drin bei der Digitalisierung und setzt dies auch bei den eigenen Produkten und Angeboten um. Unsere Kommunikation wird in Zukunft digitaler. Wir investieren in eine neue Website, die aktualitätsgetriebener sein wird als die heutige. Die «Berufe der ICT» werden auf einer neuartigen, digitalen Plattform veröffentlicht, die den heutigen Nutzerbedürfnissen besser gerecht wird als ein PDF oder ein gedrucktes Buch. Damit sind wir wieder bei der eingangs erwähnten Cloud, bei Facebook und dem mobilen Internet, die wir aus der heutigen Welt kaum mehr wegdenken können. Heute sprechen wir von Künstlicher Intelligenz und der Blockchain als den wohl wichtigsten Technologietrends und wir dürfen wirklich gespannt sein, was in zehn Jahren sein wird. Vielleicht wird dann ein neues Gerät oder eine neue Technologie zu unserem Alltag gehören. Wenn ich sehe, wie bei swissICT zu Themen wie Industrie 4.0 Fachgruppen gegründet werden, dann bin ich auch guten Mutes für unseren Verband. Und swiss made software wünschen wir, dass es dann seinen 20. Geburtstag feiern wird.

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