Crowdfunding: Immobilienfinanzierung im Schwarm

20.04.2018.

Mathias Rinka | Freier Wirtschaftsjournalist / Redaktor

Der Trend Crowdfunding nimmt in der Schweiz an Fahrt auf. Entsprechende Angebot sind
seit knapp drei Jahren am Markt. Das seither eingeworbene Kapital für Immobilien ist auf
über 100 Millionen CHF angewachsen. Ein Marktüberblick.

Vogelschwärme zeichnen sich dadurch aus, dass durch effektives Zusammenarbeiten das
Vorankommen einfacher wird. Bei der Schwarmfinanzierung, oder neudeutsch:
Crowdfunding, soll es so ähnlich sein. Investoren spannen zusammen, um ein grösseres Ziel
respektive eine gute Rendite zu erreichen. Dies gilt seit 2015 auch für die Schweizer
Immobilienbranche, wo aktuell einige wenige Akteure den Markt bestimmen, der in kurzer
Zeit ein Volumen in dreistelliger Millionenhöhe erklommen hat.

Startup mit 50 Mitarbeitern

Aktuell Marktführer in dem Segment ist Crowdhouse, ein 2015 gegründetes FinTech-
Unternehmen mit Sitz an der Lerchenstrasse in Zürich nahe der Sihlcity. Die junge, aber
inzwischen bereits 50 Mitarbeiter starke Firma von Mitgründer Ardian Gjeloshi ermöglicht
Anlegern, mit nur geringen Investitionsbeträgen (ab 25.000 CHF) im Grundbuch
eingetragener Miteigentümer von Schweizer Rendite-Immobilien zu werden. Rund die Hälfte
des Kaufpreises der Liegenschaft wird mit einer Festhypothek mitfinanziert. Die Eigenmittel
werden auf mehrere Käufer aufgeteilt und im Miteigentum angeboten. Innerhalb der ersten
18 Monate wurden so über 220 Personen im Grundbuch eingetragene Eigentümer von
Rendite-Immobilien.

«Jeder Miteigentümer partizipiert dabei direkt an der Mietzinsrendite und Wertenwicklung
seiner Liegenschaft», sagt Gjeloshi. Das zusammen mit CEO Robert Plantak gegründete
Unternehmen hat bis anhin Immobilienobjekte im Wert von 357 Millionen CHF über die
eigene Online-Plattform platziert. 1.181 Immobilien wurden bis dato geprüft, mehr als 40
Liegenschaften akquiriert und in der Folge 34 verschiedene Projekte per Schwarm
durchfinanziert (Stand: 31. Januar 2018).

Crowdfunding-Markt wächst

Gemäss dem «Crowdfunding Monitoring Schweiz 2017» der Hochschule Luzern (HSLU) hat
vor allem das Immobiliensegment zum starken Reüssieren der Schwarmfinanzierung in der
Schweiz beigetragen. Der Markt für Immobilien-Crowdfunding hatte demnach 2016 ein
Volumen von 32,4 Millionen CHF erreicht. 2017 wurde die 100-Millionen- Marke geknackt
und Studienautor Prof. Dr. Andreas Dietrich sowie weitere Marktexperten gehen von
weiteren Wachstumssprüngen in ähnlicher Grösse für das laufende Jahr aus. «Mit einem
durchschnittlichen Volumen von 2.7 Millionen Franken verzeichnen diese Immobilien-
Investitionen deutlich höhere Summen, als etwa die Projekte in der Kultur- und
Kreativwirtschaft mit durchschnittlich 13.000 Franken», so Dietrich.

Dies hat unter anderem auch damit zu tun, dass inzwischen mehrere Crowdfunding-Akteure
am Immobilienmarkt tätig sind, wie beispielsweise das Ostschweizer Start-up Crowdli,
Foxstone SA in der Westschweiz (Einzelinvestments ab 25.000 CHF möglich) oder die
Zürcher Immoyou AG. Crowdli bezeichnet sich als «Alternative zu Immobilienfonds» und
wirbt mit Immobilieninvestments über die firmeneigene Website «ohne zusätzliche
Gebühren». Mindestbeteiligungen sind hier aktuell ab 40.000 Franken möglich. Zum
Einstieg derzeit angebotene Mehrfamilienhausprojekte befinden sich in Gossau (SG) und
Wattwil (SG). Die in Aussicht gestellte Ausschüttungsrendite beträgt 5,60 bzw. 5,64 Prozent.
Für die bei Crowdhouse in Aussicht gestellten Renditen stellt das Unternehmen klar: «Die
Renditen sind weder gesichert, versprochen noch garantiert, sondern ein Erwartungswert, der auf einer Kalkulation basiert, die wir bei jeder Liegenschaft völlig transparent
offenlegen.« Die Rendite sei eine Eigenkapitalrendite. Diese beruhe auf dem Kaufpreis, so
Gjeloshi. Der Kaufpreis werde durch die Mieterträge dividiert, woraus sich die Bruttorendite
ergebe. «Da unsere Investoren direkt und mit Grundbucheintrag investiert sind, spielen
Buchwerte für die Rendite keine Rolle – anders als bei einem Fonds, dessen Agio auf
Schätzwerten beruht.»

Immoyou plant Projekt in Zurich

Bei der Immoyou AG von Gründerin Bettina C. Stach stehen in den Prospekten der derzeit im
Ankauf befindlichen Objekte ein Mehrfamilienhaus in Gelterkinden (BL) sowie eine
Gewerbeliegenschaft in Frauenfeld (TG). Die hier in Aussicht gestellten Renditen liegen bei
7,85 bzw. 8,16 Prozent inkl. Erneuerungsfonds. Die Mindestbeteiligungen betragen 100.000
CHF (Wohnobjekt) bzw. 300.000 CHF (Gewerbehaus).

Diese vergleichsweise hohen Renditen im aktuellen Niedrigzinsmarkt können laut Stach
«durch gute Bausubstanz, ein effizientes Immobilienmanagement und geringe
Unterhaltskosten» erzielt werden. Die Verwaltung der Objekte gibt sie in der Regel an
erfahrene Dritte vor Ort. Immoyou übernimmt das Controlling und die Begleitung der
Verwaltung sowie des Objektes. Unterhalts- und Renovationskosten werden durch den
internen Bauspezialisten bei Immoyou überwacht und organisiert. Somit könnten
Unterhaltskosten minimiert werden, sagt Stach. Eines der nächsten Projekte wird ein
saniertes Mehrfamilienhaus mit Stadtwohnungen in Zürich sein. Dort sollen Beteiligungen
ab 250.000 CHF möglich sein.

Chancen und Risiken

Wie der Blick nach Deutschland zeigt, wo sich bereits ein reiferer Crowdinvesting-Markt für Immobilien herausgebildet hat, gibt es für die Finanzierungsart gute Chancen und grosses
Potenzial – aber durchaus auch hohe Risiken. Werden etwa die erwarteten Ziele hinsichtlich
Miethöhe und Vermietungsquote nicht erreicht, kann ein Projekt in Schieflage geraten und
weniger Rendite abwerfen. Auch die Insolvenz einer der beteiligten Firmen, etwa bei einem
Renovationsprojekt, kann mächtig Sand ins Getriebe der Schwarmfinanzierung bringen.
Dies zeigte sich jüngst bei dem Hamburger Crowdinvest-Portal Zinsland. Dieses hatte im
2016 gesamthaft 499.500 Euro von 274 Anlegern eingeworben. Gemäss Projektinitiator und
Gesellschafter Heinz Michael Groh von der Conrem-Ingenieure GmbH in München verlief
der Bau von 52 Mikroapartments im Projekt Luvebelle in Berlin-Tempelhof noch im August
2017 planmässig. Die Fertigstellung sollte zum Jahreswechsel 2017/2018 stattfinden.
Doch anfangs Dezember wurde plötzlich vom Amtsgericht ein Insolvenzverfahren über die
Firma Conrem-Ingenieure eröffnet. In der Folge ging die Verwaltungs- und
Verfahrenseröffnung von Groh an einen Insolvenzverwalter über. Mit der Eröffnung des
Verfahrens hat Zinsland keinen Einfluss und keinen Zugriff mehr auf das Projekt. Die
Forderungen der 274 Anleger des Crowdfunding-Projekts wurden dem Insolvenzverwalter
übermittelt. Im Worst-case- Szenario droht hier den Schwarmanlegern der Totalverlust, denn
das Zinsland-Modell sah keinen Grundbucheintrag vor.

Weiterentwicklung mit Wertpapieren und Anleihen

Wie sich die Crowdfunding-Branche ennet der Grenze inzwischen in andere Bereiche
ausweitet, zeigt die Exporo AG, nach eigenen Angaben die aktuell führende deutsche
Crowdinvestment-Plattform für Immobilien. Sie hat seit Gründung im Jahr 2015 insgesamt
94 Immobilienprojekte (Mindestbeteiligung für Privatanleger: 500 Euro) mitfinanziert.
Hierfür wurden von den Kleinanlegern 126,4 Millionen Euro eingesammelt, an die
Projektentwickler vermittelt und bislang knapp 24,9 Millionen Euro wieder an die Anleger zurückgezahlt (Stand: Ende Januar 2018). Exporo legte kürzlich nach und erhielt am 19.

Dezember 2017 die KWG-Lizenz von der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Damit kann sie neu über die eigens gegründete
Exporo Investment GmbH Immobilien auch in Form von Wertpapieren vermitteln.
Gemäss Unternehmen ist man damit «aus den Schuhen des Kleinanlegerschutzgesetzes
herausgewachsen und hat die Anpassung digitaler Immobilieninvestments auf den
regulierten Markt vorangetrieben». Mit diesem Schritt will das Hamburger Fintech-
Unternehmen nun auch Investorengruppen ansprechen, die im aktuellen Niedrigzinsumfeld
eine wertpapierbasierte Investitionsmöglichkeit mit vergleichsweise hoher Verzinsung
suchen. Im Markt gebe es auch den Wunsch nach depotfähigen Immobilieninvestments für
Anleger, sagt Simon Brunke, Vorstandssprecher der Exporo AG. Profitieren könnten hierbei
Immobilienentwickler, um Projekte auch oberhalb der 2,5-Millionen- Euro-Schwelle zu
finanzieren.

Angst vor schwarzem Schaf

Für Andreas Dietrich von der Hochschule Luzern steckt das Immobilien-Crowdfunding in
der Schweiz noch in den Kinderschuhen. Vor allem im Vergleich mit den Summen, die zum
Teil im Ausland bereits per Schwarm eingesammelt werden. Dietrich arbeitet bereits am
neuen «Crowdfunding Monitoring Schweiz 2018», der im Mai mit aktuellen Daten publiziert
werden soll. Dass diese Finanzierungsart hierzulande eher noch einem kleinen zarten
verletzlichen Pflänzchen gleicht, verdeutlicht die kontroverse Einschätzung, die Dietrich an
der diesjährigen Immo.18-Messe im Rahmen einer Panel-Diskussion zu dem Thema wagte:
«Jeder in der Branche hofft, dass der andere nicht das schwarze Schaf ist.» Denn: Unseriöse
Trittbrettfahrer braucht keiner.

Zuerst veröffentlicht in IMMOBILIEN BUSINESS Ausgabe März 2018

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